Antje Rávik Strubel: Blaue Frau. Roman. S. Fischer. Frankfurt a. M., 11. Aug. 2021
Den Namen des Bundeslandes, in dem die Potsdamerin 1974 geboren wurde, hat Antje Rávik Strubel zum ersten Mal als Erwachsene gehört: Brandenburg. Er war ihr nicht vertraut, denn in der DDR wurde er nicht verwendet. Vielleicht war diese unbenannte Herkunft die Voraussetzung für Strubels besonderes Gespür für Landschaften und deren Menschenschlag. Verspätet nahm sie 2012 in ihrer „Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg“ das Gebiet ihrer Kindheit und Jugend unter die Lupe und lieferte ein ebenso humorvolles wie kluges Buch über das Land der dreitausend Seen. Vor allem aber erkundete sie in etlichen Romanen die kaum besiedelten Weiten Schwedens und der USA und machte die Schären, die Ostsee und die Canyons zu Schauplätzen ihrer eindringlichen Geschichten.
Auch in ihrem neuen Roman „Blaue Frau“ geraten Umgebung und Figuren in ein eigentümliches Spannungsverhältnis. Die junge Tschechin Adina hat ihre Kindheit in einem schneereichen Bergdorf im Riesengebirge verlebt, wo sie so einsam war, dass sie sich als „der letzte Mohikaner“ empfand. Auf die rauen Verhältnisse für Osteuropäerinnen im Nachwendedeutschland ist sie nicht vorbereitet. Eine Gewalterfahrung lässt sie bis nach Finnland fliehen. Einfühlsam lässt Antje Rávik Strubel ihre Heldinnen mit fremden Umgebungen und wechselnden Lichtverhältnissen experimentieren. Was sie im Innersten umtreibt, bleibt ein Geheimnis. (M. A.)