Martina Hefter: In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen. Gedichte. kookbooks. Berlin, Jun 2021
Wir kennen die Poesie als ein Maskenspiel, das mithilfe von Klangfiguren, Metaphern und Reimen an den Fundamenten unserer Existenz rührt. Es gibt aber auch Momente, da das lyrische Ich diese Masken abstreift und ganz ungeschützt über den Kern unseres Daseins spricht. Martina Hefter, die 1965 geborene Dichterin, Tänzerin und Performance-Künstlerin, führt uns das in ihren jüngsten Büchern eindrucksvoll vor. Im Allgäu aufgewachsen, studierte sie zeitgenössischen Tanz in Berlin. 1997 kam sie nach Leipzig, wo sie am Deutschen Literaturinstitut Literarisches Schreiben studierte und bis heute mit ihrer Familie lebt. Ihr zwischen Lyrik, Dramatik und Tagebuch changierendes Buch „Es könnte auch schön werden“ (2016) führte uns auf ein Territorium, zu dem unsere Gegenwartsliteratur bislang einen großen Abstand gehalten hat – in die Innenwelt des Pflegeheims, wo keine poetischen Überhöhungen mehr möglich sind, sondern der Lebensrest auf sehr profane Weise abgewickelt wird.
Ihr aktuelles Buch „In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen“ bewegt sich nun zwischen den Sprechweisen des Gedichts und des Essays: Es kreist in spielerisch-assoziativer Form um die tastende Begegnung mit Naturstoffen und Pflanzen, die von Artenschwund und Zerstörung bedroht sind. Ein selbstverständlich scheinendes Möbel wie ein Bett wird auf Basis skandalöser Ausbeutungsverhältnisse hergestellt: „Mein zerbrechlicher Schlaf, den chinesische Frachter begleiten, sie tragen bedampfte/ Bretter, illegal aus der Taiga geschlagen, übern Seeweg nach Deutschland.“ Von den lakonischen, wie skizzenhaft wirkenden Versen der „Essays über Pflanzen“ geht Martina Hefter über zu einer Fantasie über ein Ich, das in einem Baumhaus im Wald lebt. Das Buch endet mit einem imaginären Totengespräch mit guten Geistern – es sind Schutzgeister, die uns Mut machen, wenn wir zu scheitern drohen. (M. B.)